cosi fan tutte

22.04.2015

„cosí fan tutte“ in Heilbronn: Axel Vornam inszenierte spannendes, erheiterndes und belebendes Musiktheater

Parodistisches Psychogramm

Von unserer Mitarbeiterin Leonore Welzin

Zynisches Experiment: Jongwook Jeon (Guglielmo), Frank van Hove (Don Alfonso), Haruna Yamazaki (Dorabella), Isabella Froncala (Despina), Manuela Vieira do Santos (Fiordiligi) und Yongkeun Kim (Ferrando) in der Heilbronner Inszenierung der Mozart-Oper “Cosí fan tutte”. Wie steht’s um die Treue der Frauen? Diese Frage muss den Habsburg-Kaiser Joseph II (1741 – 1790) bewegt haben, warum sonst hätte der Monarch, ein aufgeklärter Feudalherrscher, seinen Zeitgenossen den Auftrag gegeben, dazu ein Bühnenstück zu komponieren? So frivol, verzwickt und intelligent wie das Opern-Libretto von Lorenzo da Ponte zu “Così fan tutte” daherkommt, so inspiriert muss Mozart vom Stoff gewesen, der aus der Verkleidungskomödie musikalisch eine flirrende Fingerübung in Sachen Ironie macht.

Bei der Wiener Uraufführung 1790 nur von mäßigem Erfolg gekrönt, gehört das Werk mittlerweile zu den meistgespielten Opern: allein 2014 gab es 68 Inszenierungen in 55 Städten, von Amsterdam bis Zürich. Aktuell steht der Opernklassiker in der Region in Stuttgart, Ulm, Heidelberg und nun auch im Theater Heilbronn als Eigenproduktion auf dem Spielplan.

Guglielmo und Ferrando, zwei über beide Ohren verliebte Edelmänner aus Neapel lassen sich vom älteren Don Alfonso zu einer Wette überreden: Innerhalb eines Tages, an dem er die Regie übernimmt, wird er beweisen, mit welchen Tricks man (oder Mann) die Tugend der Damen – die Schwestern heißen Fiordiligi und Dorabella – zum Schwinden bringt. Seine These: Ob jung oder alt, ob hübsch oder hässlich, wenn man um sie wirbt, sie mit Komplimenten überschüttet, an ihr Mitleid appelliert, kurz ihre Gefühlswelt so richtig durcheinander bringt, werden sie schwach. Denn so sind sie halt, die Frauen, oder wie der Titel sagt “Così fan tutte”, zu Deutsch: “So machen es alle (Frauen)”.

Ausgangspunkt ist ein vom rousseauschen Geist geprägtes Experiment: Wie stark ist die Tugend der Treue? Stärker als die Tugend, dem Gefühl nachzugeben? Das zynische Experiment eines Libertins mündet in der Katastrophe, die eigentlich ein Glück ist, wäre nicht die neue Liebe untrennbar mit dem Verrat an der alten Liebe verbunden. Mit tolldreistem Leichtsinn degradieren die jungen Männer ihre Herzensdame zum Versuchsobjekt, stellen ihre Geliebte, und damit die Liebe als solche, zur Disposition. Wobei den Herzensbrechern entgeht, dass ihre eigenen Gefühle auch Teil dieser Versuchsanordnung sind. Am Ende stehen alle vier vor den Trümmern ihrer Beziehungen; denn die Mädchen wollen nicht nur den Fremden heiraten, sie geben jeweils dem Freund der Schwester ihr Jawort.

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln lebt die Heilbronner Inszenierung (Regie: Axel Vornam) vom musikalischen Potenzial, das in der Neckarstadt schlummert. Seit sieben Jahren bewährt hat sich einmal mehr die Zusammenarbeit des Theaters mit dem Württembergischen Kammerorchester, allesamt erfahrene Musiker, die – unter dem schwungvollen Dirigat von Markus Huber (die dritte Vorstellung, ist zugleich die Premiere für den Mann am Pult) – wunderbar differenziert, mal mit Elan die Stimmung anpeitschen, sich aber ebenso gut zurücknehmen, um (Mozart lässt grüßen) dem Cembalo, als Begleiterin der Rezitative Raum zu ge
ben.

Neu ist die Kooperation mit dem von Michael Böttcher geleiteten alto e basso-Chor. Das 20-köpfige Vokalensemble blüht in Kostüm und Maske zu einer Spielfreude auf, dass man meint, die Stimmen wachsen in der Rolle von Soldaten, Hofpersonal und Schiffsleuten gesanglich über sich hinaus. Toll! Ein kleiner Geniestreich sind die Solisten. Allesamt Absolventen der Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, machen Manuela Viera dos Santos (Fiordiligi), Haruna Yamazaki (Dorabella) Yongkeun Kim (Ferrando) und Jongwook Jeon (Guglielmo) nicht nur eine Bella Figura, ihre Arien, Duette und Terzette setzen Glanzpunkte rund um das wohltemperierte Bass-Belcanto des international bekannten Opern-Profis Frank van Hove (Don Alfonso).

Schauspielerisch eine herrlich Ulk-Nudel zieht Isabella Froncala alle komödiantischen Register, ihre augenzwinkernde Komplizenschaft mit Don Alfonso als Kammerzofe Despina erfrischt ebenso, wie ihre Auftritte als falscher Notar und vermeintlicher Doktor Mesmer. Viel Szenenapplaus für die jugendlichen Protagonisten und rauschender Schlussbeifall für Gesamtleistung.

Gezeichnet in den sanft-süßen Farben (Bühne und Kostüme: Tom Musch, Licht: Carsten George) von Biskuits, Petits Fours und Sahnetörtchen, inszeniert als ein parodistisches Psychogramm der Liebe – die Liebe, so fragil und illusionär, wie die Guckkasten-Bühne, die am Schluss demontiert wird. Alles nur Theater!? Ja, aber spannend, erheiternd und sehr belebend.

© Fränkische Nachrichten, Samstag, 25.04.2015

Veröffentlicht mit freundlicher Erlaubnis von Leonore Welzin

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